peter illert

Fotoausstellung "Odjazd – Abfahrt – Dampfloks in Polen"

Dampflokomotiven gehören einer vergangenen Epoche an. Sie sind mit dem Industriezeitalter, der industriellen Revolution, untrennbar verbunden. Im 19 Jahrhundert revolutionierten und industrialisierten sie den Transport, zwangen den Menschen eine neue Lebensweise und ein anderes, nicht mehr an der Natur ausgerichtetes Zeitverständnis auf.  Sie stanken nach Schwefel und verdrängten die Pferde. Aber sie standen für Fortschritt.

Trotzdem empfinden sie heute viele Menschen als Inbegriff von Romantik, als Objekt emotionaler Sehnsucht. Etwas einst Alltägliches wird dadurch erhöht, dass ihm eine besondere Bedeutung gegeben wird, das mit Stimmungen – bis hin zur Melancholie.

 

Zumindest geht mir das so, der die Dampflokomotive auch stark mit prägenden Kindheitserlebnissen verbindet. Oft habe ich an der Bahnschranke gestanden und darauf gehofft, dass eine der zunehmend  seltenen Dampfloks vorbeikommt.

Länger als in Deutschland haben sich die Dampfloks in Polen gehalten. Erst 1992 endete der Dampfbetrieb auf Regelspur- mit bis zum Schluss gut gepflegten Loks als letztem Land in Europa.

Auch deshalb hat eine Ausstellung von Lokbildern  in einem polnisch geführten Bistro den richtigen Platz.

Ich kam mit Tomek Czebatul  bei einer Fahrradtour nach Walldorf  ins Gespräch über Fotografie und über Züge in Polen. Da meinte er, das wäre doch ein Thema für eine Ausstellung,  vorausgesetzt die Bilder wären vom fotografischen Gesichtspunkt her interessant. Zudem wäre der Begegnungsaspekt wichtig, der in einem Bistro ja immer ein grosse Rolle spielt: Hier unter der Sicht , mit welchen Augen Menschen aus Deutschland – in meinem Fall Eisenbahnfans -  Polen sehen. 

 Polen war ein klassisches Eisenbahnland. Die Streckenlänge betrug in der Blütezeit weit über 25ooo Kilometer, Der erste Zug fuhr bereits 1842. Freilich waren die ersten Strecken auf Ziele in Deutschland, Oesterreich und Russland ausgerichtet, was einiges über die damaligen Machtverhältnisse aussagt.

Die Machtverhältnisse hatten sich 1990 gerade dramatisch verändert, als ich begann, in Polen zu fotografieren. Die einbrechende gesellschaftliche Modernisierung und Individualisierung hatte massive Auswirkungen auf die Eisenbahn, die einer der Verlierer der Entwicklung zu werden drohte.

Die Umbruchszeit, die mit vielen (Traditions-)Abbrüchen und Stillegungen verbunden war, habe ich  mit Hilfe einer  Fotoausrüstung zu dokumentieren versucht, die auch noch nicht im Digitalzeitalter angekommen war. Die meisten Aufnahmen sind Reproduktionen von Dias. Die altern und haben dann auch Alterungsspuren. Wir haben uns überlegt, sie so zu belassen wie sie sind.

Die meisten Aufnahmen sind in den 90er Jahren entstanden. Die polnische Staatsbahn hatte ihren festen Platz als Bestandteil der Planwirtschaft verloren, eine Phase der Deregulierung hatte eingesetzt. aber noch lagen Liberalisierung und Börsengang in der Zukunft, die neue Rahmenbedingungen schufen.  Der Zustand der Eisenbahn spiegelt die jeweiligen Lebensverhältnisse ihrer Fahrgäste wider.  Noch -aber schon auf Abruf-  gab es die Montan- und Schwerindustrie genauso wie gewachsene Dorfstrukturen, welche auf die Bahn angewiesen waren. Um eine Waggonladung Kohle zum Landhandel zu bringen,  waren  die kleinen Loks bis zu 5 Stunden unterwegs.

Es  gab sie noch,  die kleinen Landbahnhöfe mit Güterabfertigung , Stellwerk und Fahrkartenausgabe ,wie sie hier auf den Fotos sehen sind . Es fuhren auch noch  die Nachtfernzüge für alle, welche die Tour ihrem kleinen Fiat P 126   nicht zumuten wollten. Nach dem grossflächigen Autobahnbau, den die EU mitfinanzierte,  sind sie fast alle verschwunden. (Die Züge und die Fiats) Polen hatte -und hat-  eine eigene Lokomotivindustrie, Aber obwohl es sich eher zu Frankreich hingezogen fühlte, dominierten hier deutsche Einflüsse. So fuhren in Polen auch viele preussische Loktypen, allen voran die P8, die hier als Traditionslok auf einigen Bildern zu sehen ist. Auf etlichen Aufnahmen ist auch die Ty 2 zu sehen, eine deutsche Kriegslokomotive von 1942.  Viele von diesen Loks blieben nachdem Krieg in Polen und wurden beim Wiederaufbau des zerstörten Landes eingesetzt.

Da ist es verständlich dass die Freude von deutschen Touristen , solche Loks in Polen noch zu sehen, von vielen Polen nicht unbedingt geteilt wird. Zumindest nicht vorbehaltslos.  Aber die Bilder, die hier zu sehen sind, hätten nicht entstehen können, wenn der Fotograf nicht auf Gastfreundschaft und Interesse an seinem Hobby gestossen wäre.  Im Gegenzug freuten sich oft die Bahnerinnen und Bahner an der Würdigung ihrer Arbeit. Oft war viel Improvisation nötig, die alten Loks am Laufen zu halten.

 

Spätestens im Jahr 2000 nach der Bahnprivatisierung waren die letzten PKP- Dampfloks abgestellt. Das waren die kleinen Dampfloks (und Triebwagen) auf einem Dutzend  Schmalspurbahnen,  welche bei der Aufgliederung der PKP in gewinnorientierte Geschäftsbereiche keine Uebernahme fanden. Sie wurden kommunalisiert, hatten aber wegen Unterfinanzierung meist kein langes Leben mehr. Dabei gab und gibt es gute Ansätze, sie als Touristikbahnen zu erhalten. Das Foto von einer fröhlichen Reisegesellschaft in einem Schmalspurwaggon –entstanden bei Gniezno- legt davon Zeugnis ab.

Dampfbetrieb auf Regelspur gibt es nach wie vor, in Wolsztyn bei Poznan. Bereits Ende der 80er Jahre begann die polnische Eisenbahn, dort ihre historisch wertvollsten Dampfloks zusammenzuziehen und in einer  Art lebendigem Freilichtmuseum (Skansen) zu pflegen und auch einzusetzen. Nachdem die weitere Finanzierung geklärt werden konnte, sollen die Dampfloks nach einer Unterbrechung ab Dezember wieder im täglichen Einsatz sein. So wird es auch in Zukunft möglich sein, polnische Eisenbahnromantik zu erleben.

 

Bedanken möchte ich mich bei Tomek und Team, dass sie die Ausstellung mit viel Einsatz möglich gemacht haben, und für viele anregende Gespräche und Einblicke in den polnischen way of live.

Peter Illert


Peter Illert

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