Den Anfang macht Kemmler, der viele Jahre als Luftfahrtpsychologe und Krisenexperte arbeitete. „Mein Beruf lebt vom Nachdenken. Ich musste mich immer stark in andere einfühlen und
hineinversetzen“, sagte der Psychologe. Macht er sich an eines seiner Gemälde, muss er auf nichts Rücksicht nehmen und kann ganz seinen eigenen Empfindungen folgen. Mit dem Pinsel in der Hand
beschäftigen ihn besonders die Themen Natur und Philosophie.
Letztere lieferte Motive für die meisten seiner Bilder, die über die nächsten Wochen im Restaurant Blitz zu sehen sind. Da ist etwa ein abstrakt gehaltenes Werk, das ans nächtliche
Frankfurter Bankenviertel denken lässt. Die Inspiration lieferte Niklas Luhmann und seine Systemtheorie.
Das Banken- und Finanzwesen sei doch auch ein System für sich, erklärte Kemmler, der eigentlich nicht viel zu den Bildern erzählen wollte. „Sie sollen für sich sprechen“, meinte der Maler.
Und tatsächlich braucht es keine langen Ausführungen, um von den Werken fasziniert zu sein. Bücher von Freud, Sartre oder Descartes dienten zwar als Vorlage, für einen Ausstellungsbesuch muss
man sie aber nicht gelesen haben.
Neben der auf Leinwand gebrachten Philosophie sind auch Bilder aufgehängt, die sich mit dem Brexit und dem Erstarken populistischer Parteien auseinandersetzen. Dabei eint sämtliche Gemälde
ihr Stil, mit dem es Kemmler gelingt, große Themen in beeindruckende abstrakte Kompositionen zu übertragen. Und tatsächlich stehen die Bilder für sich. Man sieht sie allerdings mit anderen
Augen, wenn Kemmler doch ins Erzählen und Erklären gerät.
Insgesamt sind acht seiner großformatigen Werke und eine Handvoll kleinere Gemälde zu sehen. Die Auswahl traf Blitz-Betreiber Tomek Czebatul, der die Ausstellung an die Atmosphäre seines
gemütlichen Restaurants anpasste. Was bei ihm an den Wänden hängt, soll seinen Gästen und vor allem ihm gefallen. „Zuerst muss man sich hier wohlfühlen“, sagte Czebatul. Nichts sei schlimmer,
als über Wochen Bilder anzublicken, mit denen man nichts anzufangen wisse.
Bei der Ausstellungseröffnung übernahm Hans ter Wolbeek die einführenden Worte und kündigte gleich an, dass Czebatuls kleine Galerie zukünftig weiteren Künstlern aus Mörfelden-Walldorf ein
Forum bieten soll. Fürs erste kann man aber Reiner W. Kemmlers Werke auf sich wirken lassen und dazu polnische Spezialitäten mit einem Glas Wein genießen.
Das Bistro in der Oberwaldstraße/Ecke Jourdanallee hat von Montag bis Samstag zwischen 17 und 22 Uhr geöffnet, sonntags von 15 bis 21.30 Uhr. An jedem vierten Donnerstag im Monat bleibt das
Blitz geschlossen. (seb)